Achtung: Begegnung!

Projekt im Sommerstrimester 2006
Entstehung des Bühnenprojekts “Achtung: Begegnung !
(Text von Benjamin Quack!)
achtung-begegnung5.gifEs ist vielleicht ganz gut an dieser Stelle erst einmal zu beschreiben was ein „Projekt“ am Jugendseminar überhaupt bedeutet:
Jeder Trimesterjahrgang bekommt ungefähr im 2. Trimester von den Dozenten die alles entscheidende Frage gestellt: „Wollt ihr ein Projekt machen?“ Meistens, so habe ich mir sagen lassen, ist das 2. Trimester auch das „Krisentrimester“ des Jahrgangs. Bei uns traf dies zu. Viele von uns waren gerade sehr mit den eigenen Problemen beschäftigt, die sie mit sich oder mit der Gruppe auszutragen hatten. So war es umso verwunderlicher, dass die Antwort sehr spontan ausfiel: Ja, wir wollten!

Die Gründe für dieses Wollen waren vielfältig. Wahrscheinlich unterschätzten wir in unserer Naivität den Arbeitsaufwand, der mit so einem Projekt verbunden ist. Außerdem Man will ja auch nicht als das Trimester ohne Projekt dastehen. Man möchte sich ehrgeizig in die Ahnenreihe vergangener Trimester einreihen und ein genauso gutes, wenn nicht sogar ein besseres, noch nie da gewesenes, umwerfendes, herausragendes Projekt auf die
Beine stellen. Außerdem will man selbstverständlich seine Ideen realisieren, neue künstlerische und zwischenmenschliche Erfahrungen suchen, geistige und materielle Welt vereinigen und sich für das Jugendseminar engagieren – und man erhofft sich nicht zuletzt
eine Menge Spaß bei der Arbeit. Nun, wenn man ein Projekt machen will, muss man auch wissen welche Art von Projekt: Theater, Eurythmie, Bothmer- Gymnastik, Rezitation, Musik, einen Film, Verbesserungen am Haus (siehe Gartenprojekt Rundbrief 2006), etwas „Soziales“ ect.. Üblicherweise machen die meisten Trimester ein Bühnenprojekt und auch wir entschieden uns dazu. Zwar war auch die Idee da, nach Brasilien zu fliegen und dort bei einem externen Sozialprojekt mitzuhelfen. Diese sehr innovative Idee wurde dann aber doch verworfen.achtungbegegnung1.gif
Lange und anstrengende Entscheidungsprozesse folgten: Wollen wir eine Collage machen? Wenn ja, zu welchem Leitthema? Wollen wir von Anfang an alle zusammen arbeiten oder zunächst jeder für sich? Wollen wir nicht doch ein schon vorhandenes Bühnenstück verfremden? Welche Kunstformen wollen wir dabei benutzen? Nach einigem hin und her und ein bisschen Beratung durch die Dozenten war das grobe Ziel ausgemacht: Wir machen ein Projekt zum Thema Begegnung, eine Collage zunächst in Gruppenarbeit und danach setzen wir das Ganze zusammen. Jetzt hieß es Ideen sammeln.
Es wurde alles mögliche ausprobiert, alle möglichen Choreographien, Tänze, Dialoge, Szenen von witzig bis unheimlich. Es sollte Musik geben, es sollte Filme geben, Interaktion mit dem Publikum! Es wurden immer mehr und mehr Ideen erdacht, bis unsere Dozentin Lisa uns (endlich) dazu zwang, diese auch mal zu realisieren. Die Zeit wurde knapp und, hätte man uns noch länger austüfteln lassen, hätten wir den Rahmen eines Abendprogramms locker gesprengt.
Also ans Werk: Dialoge schreiben und einstudieren, Tanzchoreographien aufstellen und üben, Musik proben. Die Arbeit war hart, die Wochenenden gestrichen und wahrscheinlich war jeder bei seinem Teil mindestens einmal der Verzweiflung nah. Ich kann mich noch daran erinnern, wie mich Giulia an einem Montagabend um 10.00 Uhr fragte, ob wir noch an einem Dialog arbeiten sollten. Sie hatte zwar Ideen, doch diese waren in Gefahr dem Mülleimer zum Opfer zu fallen, sollte es nicht gelingen schnell etwas Gutes, Konkretes, Erprobbares daraus zu machen. Ich war müde, hatte keine Lust, doch etwas in mir sagte, dass es falsch wäre, jetzt aufzugeben. Zu uns gesellten sich Stephan und Julia und zusammen schafften wir es tatsächlich, in einem Rausch von Kreativität (oder Müdigkeit), einen gar nicht üblen Dialog zu schreiben.
Dazu kam noch die Arbeit nebenbei ein Plakat zu erstellen, Stiftungen anzuschreiben, sich um Kostüme und Requisiten zu kümmern. Einige, die nach dem Projekt das Jugendseminar verlassen wollten, mussten sich um ihre Zukunft kümmern. Ich hatte mir überlegt als nicht ganz ernst zu nehmender Professor einen pseudowissenschaftlichen Monolog zum Thema Begegnung zu halten. Die Arbeit an dieser Rolle war nicht leicht. Wie sollte ich ohne Bühnenerfahrung außerhalb des Jugendseminars ein ganzes Publikum unterhalten? Der Stress schien überhand zu nehmen. Es gab Tage an denen wollte nichts achtung-begegnung-2.gifgelingen, es war zum Weinen, es wurde sogar geweint und gestritten. Manchmal stand sogar das ganze Projekt auf der Kippe. Ein Grund warum wir nicht aufgaben war vielleicht dass wir auch nach den Aufführungen am Jugendseminar, auf der Tagung VIAdam2006 in Amsterdam das Projekt aufführen wollten, dazu kam noch eine Aufführung in der Filderklinik!
Es ging weiter. Die Bruchstücke, die sich die einzelnen Gruppen erarbeitet hatten, mussten zusammengesetzt werden. Die Bühne und die Technik mussten vorbereitet werden und Florian, unser Lichttechniker, musste die Beleuchtung einstudieren. Doch wir hatten keine Ahnung, wie das Ganze beim Publikum ankommen würde…
Die Rolle meines Professors sollte als wiederkehrendes Motiv durch das Projekt führen. Ich war gezwungen, die Dialoge ständig umzuarbeiten und auch bei den meisten anderen dauerte es bis zur letzten Woche vor der Aufführung, bis sie endlich ihr festes Programm hatten.
Als Akteure sind wir glaube ich nicht die richtigen, die Auskunft darüber geben können, wie das Programm ankam. Jedoch glaube ich aufgrund der positiven Publikumsrückmeldungen, die wir am Jugendseminar, in der Filderklinik und in Amsterdam erhielten, dass es irgendwie „ganz gut“ gewesen sein muss. Ich werde jedenfalls nicht vergessen,wie wir in der ersten (und letzten) Szene das Publikum zum Erstaunen brachten, als wir selber praktisch als „Publikum“ die Bühne betraten und die Lichter am Anfang einmal nicht auf der Bühne, sondern bei den Zuschauern angingen. Ich werde Stephan nicht in der Rolle des betrunkenen „Roland Koch“ vergessen, der vergeblich versuchte eine Japanerin abzuschleppen, Isabel, die alle mit einem heißen Flamenco-Tanz verführte, Yuki, die eine herzerweichende japanische Liebesgeschichte in Szene setzte, Amélie, die eine unglaublich einfallsreiche Ballet-Tanz- Choreographie zu klassischer Klaviermusik aufführte, Leonie, die die Rezitationskunst zum Höhepunkt brachte, Verena, die mit ihrem wunderbar melancholischen Film über Einsamkeit dem Publikum Tränen in die Augen trieb, Giulia, die so witzig eine hysterische Ehefrau spielte, dass es mir schwer fiel in meiner Rolle (als ihr Mann) zu bleiben, und Julia und Katharina, die zu rhythmischen Beats eine gelungene Kampfkunstperformance auf die Bühne brachten. Und sogar der verrückte Professor konnte ein ganzes Publikum unterhalten.

Benjamin Quack

(Ehemaliger Jugendseminarist, studiert jetzt in Braunschweig Psychologie)

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