Frei tRaum

Künstlerisches Bühnenprojekt im Sommertrimester 2007
Am Freien Jugendseminar Stuttgart

RAP-TEXT: Freiheit!

Frei tRaumFreiheit! findest du nur in dir selbst.
in Freiheit! Dazu brauchst du kein Geld.
aus Freiheit! Bis ans Ende der Welt
kannst du geh’n, du wirst seh’n:
Freiheit! findest du nur in dir selbst.
in Freiheit! Dazu brauchst du kein Geld.
aus Freiheit! Bis ans Ende der Welt
kannst du gehn du wirst sehn:…

Ein Traum von Freiheit – Die Geschichte eines Projekts

Ende des zweiten Trimesters. Wer hat eine Idee? Eine große Papierrolle wird ausgerollt, ein Stück wird abgeschnitten und, zum Zwecke des Sammelns von Vorschlägen, an die Wand geklebt. “Etwas machen, das noch
keiner vor uns gemacht hat” wird später darauf zu lesen sein, außerdem: “Wirklichkeit?”, “Schizophrenie”, “der Sinn des Sebens”, “Lust und Last der Freiheit”, “Tanz”, “Freude”, “Schauspiel”, “Schatten”, “Capoeirea”, “Rap”
und noch viele weitere Begriffe. Unter schweren Geburtswehen entsteht langsam ein erstes Stimmungsbild. Es herrschen Unklarheit und Durcheinander. Immer wieder wird herum diskutiert: Ist das jetzt ein Thema oder ein Mittel um das Thema darzustellen? Was soll das Thema sein? Können wir uns mal auf was einigen? Welche Methode benutzen wir eigentlich gerade? Wie soll man das umsetzen? Um die Umsetzung geht es noch gar nicht! Erstmal müssen wir unsere Phantasie ins Spiel bringen, erstmal müssen wir damit anfangen etwas zu träumen…. Wir treffen uns wieder zum Gespräch. Am Anfang steht immer erst die Idee. Aber welche? Wollen wir eine Collage aus allem Möglichen machen, wie es mittlerweile schon fast Tradition am Seminar geworden ist, oder wollen wir vielleicht irgendein altbekanntes Theaterstück neu interpretieren, mit unseren Mitteln? Oder doch noch was ganz Anderes? Der Reihe nach äußert jeder der Zwölf seine eigenen Vorstellungen und sagt was ihm wichtig ist, die anderen hören zu. Immer noch Unklarheit, jeder will was anderes, es bilden sich verschieden Parteien die ineinander verfließen, eigentlich weiß noch keiner was wir machen werden, nicht mal wir selbst, klar ist nur eins: Das nächste Trimester wird sich voll und ganz nur um eines drehen: Unser Projekt. Es folgen vier Wochen Ferien. Jeder ist woanders, macht was anderes. Die Gedanken zerstreuen sich. Das noch ungeborene Projekt wird innerlich bewegt, mal mehr, mal weniger, es wird vergessen und erscheint dann wieder von Neuem, in jedem Einzelnen. Uns ist klar, mir ist klar: Das will ich, was auch immer dabei entstehen wird, ich werde alles geben, dass es Wirklichkeit wird!
Das Ende des Jahres, das dritte Trimester beginnt. Wieder treffen wir uns, dieses mal um einen Namen zu finden. Nach schier endlos erscheinendem Ringen (wer jemals eine führungslose, zwölfköpfige Gruppe individualistischer
Menschen erlebt hat, die sich auf etwas einigen soll, wird wissen, was gemeint ist) kommen wir auf zwei zentrale Themen, die uns alle miteinander verbinden: Traum und Freiheit.
Der Sprachgestaltungsunterricht wird ganz und gar dem Projekt gewidmet, außerdem treffen wir uns zwei mal die Woche extra. Wir greifen einzelne Impulse auf, probieren dieses aus, versuchen jenes, gehen verkleidet auf die Königsstraße, es wird improvisiert, gebeatboxt, gespielt und gearbeitet, aber vor allem, wir haben viel Spass! Etwas träumerisch und frei wird experimentiert und gemacht was gerade einfällt und irgendwie zum Thema passt. Die Zeit vergeht und nach und nach kristallisieren sich Einzelheiten heraus. Mittlerweile steht fest: Es wird viel Tanz geben, es wird ein Schattentheather geben, jemand schreibt an einem Rap, man munkelt etwas von einem philosophischen Dialog, die Capoeiristas treffen sich regelmäßig, es wird öfters Musik vernommen, es soll sogar schon Leute geben die Eurythmie einstudieren, und sogar eine Yoga-Performance ist in Arbeit.
Nach und nach bilden sich Gruppen, einzelne Szenen werden separat erarbeitet, fallen gelassen, neu gegriffen, endgültig verworfen. Und doch wieder aufgenommen, wie zB. die berühmte “Männerszene” (jener endgültige und unvergessliche Kampf zwischen zwei, aus dem Nichts hervor springenden, Superhelden).
Die Arbeit an den einzelnen Szenen intensiviert sich, man bekommt kaum noch etwas von den Anderen mit. Wenn man zu Anfang noch wusste wer was wie mit wem macht, dann hat man die Hoffnung mittlerweile aufgegeben. Die Zeit eilt derweil mit Siebenmeilenstiefeln voran, und kaum versieht man sich, steht schon die Reise in die Vogesen, in
die weite Natur, vor der Tür. Plötzlich heißt es: Alles was bis zu Beginn der Reise nicht steht, zumindest im Ansatz, fliegt raus! Danach sind nur noch vier Wochen Zeit. Ein Schock und Aufwachmoment. Einer meiner Tagebucheinträge von damals lautet: “Der Nullpunkt”.
Die vorprogrammierte Krise. Die meisten von uns sind erschöpft. Die Stimmung ist am Boden. Viele plagt die Frage, was für sie nach dem Seminar kommen wird. Warum bin ich hier?, Wie geht es weiter?, Was will ich eigentlich?
Die sozialen Beziehungen sind gespannt. Beste Zeit zum Luft holen. Besinnung ist gefragt. Es wird klar: Nun beginnt die heiße Phase, bald wird es ernst. Welche Szenen will ich unbedingt drin haben?, was war mein Anfangs-Impuls?, worauf muss ich meine Kräfte ab jetzt konzentrieren? Manch Einer macht bei vier, fünf oder sechs, ein Anderer bei neun, zehn oder noch mehr Szenen mit. (Gab es da nicht so einen Verrückten der bei fast allen der achtzehn Szenen irgendwie dabei war, mal am Klavier, mal an der Geige, mal als Akrobat, mal mit Aktenkoffer…). Die einwöchige Reise bringt die nötige Entspannung und Erholung. Auch wenn wir den ganzen Tag durch das Gebirge wandern, an einem Tag sogar von drei Uhr Morgens bis zehn Uhr Abends.
Zurück in Stuttgart, auf dem Ameisenberg, wird nun täglich weitergearbeitet. Die Stimmung ist unvergleichlich, es knistert in der Luft. Plötzlich fällt Diesem jenes und Jenem dieses ein und schon ist wieder was Neues entstanden. Es sprudelt nur so vor Ideen. Gesagt, getan. Langsam aber sicher wird der bisher so weit entfernte Horizont immer deutlicher sichtbar. Jedem ist bewusst: Dies sind die letzten Wochen am Seminar. Jeder geht noch einmal in sich, gibt Alles, die Gruppenstimmung ist unglaublich. Freundschaften entstehen ganz neu (und für immer), die Beziehungen unter einander werden unmerklich immer tiefer. Letzte Feinschliffe werden gefunden, ganze Szenen werden von
Grund auf umgekrempelt, wieder etwas Neues, die Nerven liegen auf Eis, alles bebt, es ist nicht zu beschreiben. Unaufhörlich wird gefeilt und gesucht, geprobt und gefunden.
Schließlich ist es so weit – Das Projekt steht: Generalprobe. Darauf folgend drei Auftritte
vor Publikum, ein weiterer in der Filderklinik. Die gesamte Arbeit der letzten Wochen wird nun gebündelt und aufgeführt. Ein Riesenerfolg. Natürlich passiert hier und da ein kleiner Fehler, doch dieser wird vom Publikum
überhaupt nicht bemerkt. Die Stimmung ist höchst konzentriert, jede Kleinigkeit sitzt, alle halten zusammen, das Resultat ist großartig. Die Freude ist grenzenlos, sowohl bei den Zuschauern, die den Saal vor Beifall erbeben lassen, und die so zahlreich anwesend sind, dass sie schon quasi auf der Bühne Platz nehmen müssen, als auch bei den Darstellern, von denen jeder Einzelne über mindestens einen seiner Schatten gesprungen ist und wenigstens
einen seiner Träume in Wirklichkeit verwandelt hat. Nachdem alles vorbei ist, vom Kurzfilm über den Banküberfall, von den Volkstänzen über den Samba, Yoga, Schauspiel, Gesang, Capoeira und einer Wortschlacht bis hin zu bezaubernder Eurythmie und Superman-Auftritt, mündet das Ganze in “Freiheit”, dem Rap, der noch eimal alles wie zusammenfasst und auf den Punkt bringt, bei dem schließlich noch mal Alle gemeinsam auf die Bühne kommen, um, mit dem Publikum gemeinsam im Chor, den Refrain zu singen: “Freiheit……” Unglaublich. Immer wieder unglaublich.
Jemanden, der die Erfahrung des Projektes nicht gemacht hat, verständlich zu machen was man alles erlebt und wie man sich dabei und danach fühlt, ist, glaube ich, kaum möglich. Ich kann nur jedem einfach empfehlen: kommt her und macht euer eigenes Projekt! Das Wesentliche hat um die Aufführung herum statt gefunden, sowohl zeitlich (vorher
und nachher) als auch räumlich (auch hinter der Bühne, vor allem zwischen den Menschen) und ist dem Zuschauer unsichtbar geblieben. Wie dem auch sei, es war anwesend, das ist sicher. Und so möchte ich dieses begeisternde Zeitfenster schließen mit einem berühmten Ausspruch von Shakespeare, der vielleicht den Sinn des ganzen Unterfangens, sowohl für uns und unsere Zukunft, als auch für die Welt, zu erhellen vermag: “The world is
a stage”. In diesem Sinne: TraumFrei! äh FreitRaum!

Curro Cachineo, Projektteilnehmer

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